So begrüßen Sie Ihr Pferd
—auf Pferdisch
Im ersten Teil des Artikels haben Sie erfahren, wie Sie Ihr Pferd verstehen, indem sie ihm zuhören. Erfahren Sie nun, wie Sie den ersten Schritt machen, um auf Pferdisch mit ihm zu sprechen.
Menschen begrüßen sich mit einem Händeschütteln, wenn sie sich zum ersten Mal begegnen. Pferde halten es ähnlich. Ihr Begrüßungs-Ritual besteht aus drei einzelnen Momenten, in denen aufeinandertreffende Pferde sich an ihren Nasen gegenseitig berühren. Die Geschwindigkeit dieser drei Berührungen variiert von Lichtgeschwindigkeit bis zu Zeitlupe. Der Grund, warum es drei einzelne Berührungen gibt, ist einfach: Im ersten, formellen Teil gibt es viel zu sagen, und es braucht zwei nachfolgende Berührungen, um alles zu sortieren.
Die erste Berührung: Formelle Begrüßung, Hallo und Nachahmen
Domestizierte Pferde werden gekauft und verkauft und ziehen von einem Stall zum nächsten. Sie müssen lernen, mit neuen Herdenmitgliedern umzugehen. Manchmal kommen sie nicht gemeinsam mit anderen Pferden nach draußen und ihre Sozialkontakte finden nur über einen Zaun hinweg statt. Trotzdem ist das formelle Begrüßungsritual bei einer Begegnung notwendig, damit die Pferde herausfinden können, wer wem sagt, was zu tun ist.
Die erste Berührung ähnelt einem formellen menschlichen Händeschütteln. Es ist das "Hallo", dem sofort die Frage folgt: "Wo stehst du in der Rangfolge?" Pferde können einander innerhalb von Sekunden einschätzen. Es gilt, viel mehr übereinander herauszufinden, als die Antwort auf die Frage, wer das "Alphatier" ist. In einer gesunden Herde werden viele Rollen verteilt; es gibt den Friedensstifter, den Rabauken, den Wächter oder den Joke
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Die erste Berührung im Begrüßungsritual. "Hallo" und "Was ist dein Rang?"
Direkt nach dem ersten Nasenkontakt macht ein Pferd eine Bewegung in Richtung des anderen Pferdes, die so winzig sein kann wie eine leichte Kopfdrehung. Es fragt damit: "Wenn ich in diese Richtung gehe, folgst du mir dann?" Es ist das Spiegelspiel, da in einer freundlichen Begegnung das andere Pferd nun die Geste nachmacht, um auszudrücken: "Ja, ich folge dir."
Die Kennenlern-Phase, der mittlere Teil des Begrüßungsrituals bei Pferden.
Die zweite Berührung: Kennenlernen und Nachahmen
Nach dem zarten Erstkontakt kommt es zu einer zweiten Nasenberührung, die meist mit einem tiefen Einatmen verbunden ist. Dieser Kennenlern-Atemzug wird oft mit einer Geste kombiniert, die das andere Pferd nachahmt, um zu bestätigen, wer führt und wer folgt. Je nach Pferdepersönlichkeit kann dieser Schritt sehr schnell oder langsam erfolgen.
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Die dritte Berührung: Was machen wir nun?
Die dritte und letzte Nasenberührung führt entweder zu weiteren Wegen der Begegnung oder die Pferde brechen den Kontakt ab und gehen auseinander. Die dritte Berührung ist wichtig. In einem blitzschnellen Begrüßungsritual, wie es bei zwei hochrangigen Pferden der Fall sein kann, geht sie vielleicht in Quietschen, Vorderbein-Schleudern und andere Aufforderungen zum Spiel oder Wettkampf über. Bei entspannten Pferden schließen sich allerdings die anderen Rituale an: Gehen, Fellpflege oder auch Auf und Davon. Hier zeichnet sich die friedliche Herdendynamik ab, die sich Pferde wünschen.
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Schon ein "Hallo" in Pferdesprache verbessert die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Pferd maßgeblich.
Zum Glück für uns sind Pferde meist schon sehr beeindruckt, wenn Menschen ihnen die Fingerknöchel zu einem einzigen "Hallo" entgegenstrecken. Sie heißen uns gern in ihrer Welt willkommen, auch ohne das komplette Begrüßungsritual. Führen Sie aber das gesamte Begrüßungsritual durch, kommt es zu einem so intensiven Austausch, dass sich das gegenseitige Verständnis enorm vertieft.
gekürzter Auszug aus: Wilsie, Sharon/Vogel, Gretchen: Sprachkurs Pferd. Stuttgart 2018.
Anleitung: Das Begrüßungsritual der Pferde in der Bildergalerie
Erster Kontakt der Fingerknöchel mit dem Begrüßungsbutton des Pferdes, um "Hallo" zu sagen. Der Knöchelkontakt erfolgt mit leicht geballter Faust, Knöchel nach oben.
Dem Kontakt folgt eine deutliche Seitwärtsdrehung. Ahmt das Pferd die Bewegung nach und bietet damit an, Ihnen zu folgen?
Zweiter Kontakt mit den Fingerknöcheln: "Ich lerne dich kennen."
Es folgt eine weitere Drehung zur Seite, die die Bereitschaft des Pferdes, Ihnen zu folgen, festigt.
Dritter Kontakt mit den Fingerknöcheln: "Was machen wir nun?", mit sanftem Atmen.
Wir könnten zusammen Irgendwohin Gehen, Fellpflege starten oder uns friedlich trennen. Mit dem dritten Kontakt beginnt die nächste Ebene der Unterhaltung.